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Digitale Transformation: Aufbruch in eine neue Gesundheitswelt?

Woran denkst du als Erstes, wenn du das Wort Digitalisierung hörst? Für mich ist die Assoziation glasklar: Unser Gesundheitssystem. Okay, vielleicht etwas überraschend, aber aus der Brille einer eHealth-Studentin doch sehr naheliegend. Lasse es mich dir erklären. Unten findest du wichtige Wörter erklärt!

Die Digitalisierung hat nicht nur die Art und Weise, wie wir arbeiten, revolutioniert, sondern auch, wie wir leben. Und zum Leben gehört auch die Form, wie wir uns um unsere Gesundheit kümmern. Wie zum Beispiel Patient:innen und Ärzt:innen besser kommunizieren, gesundheitsbezogene Daten effizienter verwaltet, Gesundheit und Krankheit erforscht und therapiert sowie Patient:innendaten oder Rezepte in der Apotheke flexibler bereitgestellt werden können. Konkret: Wie wir das volle Potenzial der Digitalisierung nutzen können, um Gesundheit für alle Menschen zu ermöglichen. Neben einer Vielzahl an unterstützenden digitalen oder technischen Hilfsmitteln gibt es ebenso viele Bedenken bei der Transformation unseres Gesundheitssystems. Besonders die Themen Datenschutz, Datensicherheit und Cyberkriminalität können beängstigende Dimensionen im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung eröffnen. Dabei treiben mich besonders Fragen danach um, wer beispielsweise Einblick in meine digital abgespeicherten Daten, in meine elektronische Patientenakte (ePA), hat und wofür diese genutzt werden? Diese wichtigen Fragen zeigen schnell, dass es eine Mischung aus gut durchdachter Theorie und gelebter Praxis braucht. Spoiler Alert: Es gibt bereits viele Gesetze, Strategien und Strukturen, die für ein sicheres Gelingen der digitalen Transformation im Gesundheitsbereich vorgesehen sind – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Fangen wir damit mal an.


Speed Run durch relevante Gesetze

Den Auftakt bildet das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahr 2004. Dieses ist eigentlich ein ganzes Gesetzesensemble, das besonders auf zwei Bereiche abzielt: sinnvolle Anwendungen und funktionierende Systeme. So ermöglicht das Gesetz die Einführung vernetzter Systeme, die sichere digitale Kommunikation und den Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Akteuren wie Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen ermöglichen. Diese Art des Systems nennt sich auch Telematikinfrastruktur (TI) und dient als Grundlage für die Einführung digitaler Anwendungen. Das beste Beispiel für eine Art der Anwendungen ist die elektronische Patientenakte (ePA). In dieser kann man selbst sowie alle behandelnden Personen, wie zum Beispiel Zahnärzt:innen oder Apotheker:innen, Dokumente rund um die eigene Gesundheit speichern und abrufen. So werden das Teilen von Diagnosen, das Updaten des Impfpasses oder Bereitstellen von Notfallinformationen besonders vereinfacht. Diese Daten sind außerdem meistens auf deiner elektronischen Gesundheitskarte (eGK) hinterlegt. Diese kennen wir alle, da wir sie seit 2011 bei Arztbesuchen vorzeigen müssen. Ist die se mit einer App auf dem Handy verbunden, kann man bequem von unterwegs oben genannte Daten prüfen. Das GKV-Modernisierungsgesetz ist auch für die Gründung der gematik GmbH verantwortlich, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin, die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums die Einführung und Weiterentwicklung der Telematikinfrastruktur im deutschen Gesundheitswesen koordiniert. Ihre Aufgabe besteht darin, verbindliche Standards zu definieren und durchzusetzen, um die Vernetzung von digitalen Gesundheitsanwendungen, ePA und anderen telematischen Lösungen zu fördern. Nach vielen weiteren Jahren von Gesetzesneuentwürfen und Modernisierungen sowie der Durchsetzung des E-Health Gesetzes (2016) für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen ist auch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG, 2020) hervorzuheben. Dies steht für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation und spielte eine bahnbrechende Rolle bei der digitalen flächendeckenden Vernetzung der Akteur:innen. Da dieser technologische Wandel auch sehr kostenintensiv ist, wurde im Jahr 2021 auch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) für die Digitalisierung von Krankenhäusern verabschiedet, durch welches Krankenhäusern finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt wurde. Im August 2023 wurde das Digital-Gesetz (DigiG) für die Standardisierung von ePA und E-Rezept und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) für die Forschung entworfen, und alles das sind Meilensteine auf dem Weg zu einer sicheren Handhabung unserer Gesundheitsdaten. Fest steht also, dass bereits ein gesetzlicher Rahmen geschaffen wurde, um die digitale Transformation weiter voranzutreiben und eine bessere und effizientere Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen zu schaffen. Doch sind wir trotz einer Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung noch längst nicht am Ziel einer erfolgreichen Transformation. Der politische Wille ist vorhanden und finanzielle Anreize wurden geschaffen, aber zum Erfolg braucht es auch eine souveräne Umsetzung in die Praxis.


Gesetze sind nicht alles, was es in der Praxis braucht

Wie du dir vorstellen kannst, wimmelt der Gesundheitsmarkt nur so von innovativen digitalen Angeboten, die aber nicht alle automatisch an die TI angebunden sind: Digitale Gesundheitsanwendungen, Gesundheitsplattformen, eHealth Medizinprodukte, Krankenhausinformationssysteme, Robotik und Virtual Reality, die in der Medizin eingesetzt wird ... Ganz schön viel und ganz schön komplex. Wer soll da noch den Überblick behalten? Der sichere Austausch von Daten zwischen dieser Vielzahl an digitalen Systemen und Plattformen ist herausfordernd und verlangt ein Umdenken von Mitarbeitenden und Patient:innen. Zudem sind die ursprünglichen Bedenken und Kritiken von Leistungserbringenden der Gesundheitsbranche (z. B. medizinisches Fachpersonal) weiterhin nicht zu vernachlässigen, wie etwa Bedenken beim Datenschutz, bei zu kurzen Entwicklungs- und Testphasen sowie damit einhergehenden unausgereiften Anwendungen. Vor allem in Krankenhäusern, in der Pflege oder in Arztpraxen kann die Masse an neuen digitalen Angeboten und Veränderungen überfordernd sein. Zudem kann sie unter Umständen eher zu Mehraufwand führen als zu der gewünschten Entlastung, Qualität und Effizienz. Das Empowerment von Patient:innen und medizinischem Personal ist deshalb, neben dem politischen und technischen Rahmen, die Basis für eine gelingende praktische Umsetzung. Insbesondere auch damit keine digitale Kluft entsteht und allen Bevölkerungsgruppen ein gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährleistet wird.


Das Bindeglied aus Theorie und Praxis

Wie kann nun die erfolgreiche Umsetzung in die Praxis gelingen? Ein interoperabel wirkendes Ökosystem für das Gesundheits- und Pflegesystem ist die Traumvorstellung, die in der neuen Digitalisierungsstrategie (März 2023) vom Bundesministerium für Gesundheit festgehalten wurde. Es ist die große Vision, die bis zum Jahr 2030 verwirklicht werden soll und – bei erfolgreicher Umsetzung – u. a. folgende Vorteile bieten soll:


  1. Niedrigere Sterblichkeit: „Telemonitoring reduziert die Rehospitalisierungs- und Sterblichkeitsrate bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz.“

  2. Weniger Dokumentationsaufwand: „90 % der Pflegekräfte fühlen sich durch Bürokratie belastet. Elektronische Dokumentation erleichtert die Arbeit und spart Zeit.“

  3. Fehlmedikationen reduzieren: „30 bis 40 % der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, nehmen täglich mindestens vier Arzneimittel ein; ab 75 Jahren nimmt jeder Dritte mindestens acht Arzneimittel ein. Daten der ePA können die automatisierte Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit unterstützen und zur Erkennung von Medikationsrisiken beitragen."

  4. Komplikationen früher erkennen: „Digitalisierung trägt dazu bei, die Gefahr von Nierenschäden bei Diabetiker:innen früher zu erkennen."

  5. Risiken schneller erkennen: „Bei etwa 5 von 100 Frauen wird während der Schwangerschaft Gestationsdiabetes festgestellt. Durch Digitalisierung kann Schwangerschaftsdiabetes zum Wohle von Mutter und Kind auf Basis vorhandener Daten früher behandelt werden."

  6. Minimieren von Strahlenbelastung: „Interventionell tätige Kardiolog:innen haben durch hohe Strahlenbelastung ein erhöhtes Krebsrisiko. Robotergestützte Koronarinterventionssysteme können die Strahlenbelastung während der Operation um 95 % reduzieren."

  7. Entlastung von Pflegenden, Angehörigen und Zugehörigen: „78 % der pflegenden An- und Zugehörigen von Menschen mit Demenz sind zeitlich und physisch überfordert. Digitale Anwendungen können zu Hause bei Unterhaltungs-, Überwachungs- und Erinnerungsaufgaben unterstützen."

  8. Mehr Zeit für Patient:innen: „Dank Zeitersparnis durch Teletherapie lassen sich mehr Patient:innen versorgen."


Eine ausformulierte Utopie oder ehrgeiziger Realismus? Letzteres wäre uns zu wünschen, denn der Druck des Strukturmangels wächst und funktionierende Lösungen müssen her.


Was läuft schon gut?

Als optimistischen und hoffnungsvollen Vorgeschmack darf natürlich der Blick auf die laufenden Hands-on-Projekte nicht fehlen. Gesundheit sollte in jedem digitalen Vorhaben bestenfalls immer direkt mitgedacht werden Vorreiterprojekte wie z. B. das Projekt Smart City im Amt Süderbrarup beweisen schon heute, dass das Thema digitale Infrastruktur auf dem Land erfolgreich angegangen werden kann und multidisziplinär betrachtet werden muss. Das Projekt umfasst zehn Handlungsfelder und erstreckt sich von einem flächendeckenden Breitbandausbau bis hin zu einem geplanten medizinischen Versorgungszentrum inklusive Telemedizin. Auch die DMEA Connecting Digital Health Messe in Berlin ist ein wichtiger Ort des Austausches geworden. Hier kommen seit 2019 jährlich Hunderte Unternehmen und Menschen aus aller Welt und verschiedensten Gesundheitsberufen zusammen, um ihre digitalen Innovationen zu präsentieren, Kontakte zu knüpfen, sich weiterzubilden und Ideen weiterzuentwickeln. In Sachen Sicherheit und Software passiert auch schon einiges: IT-Spezialist:innen wie die ehrenamtliche Hackervereinigung Chaos Computer Club e. V. (CCC) Ganz schön viele orangegefärbte Wörter... das heißt für dich: Zum Glossar blättern und genau wissen, was gemeint ist! überprüfen in der Gesundheitsbranche stetig die technischen Entwicklungen. Aufsehen hat ihre Arbeit im Rahmen eines Konnektorentausches in 2022 erregt. Laut Hersteller sollten nämlich die Router der Arztpraxen, über die sie mit dem Gesundheitsdatennetz verbunden sind, nach fünf Jahren Laufzeit ausgetauscht werden. Der CCC hat jedoch die kostenlose Alternative eines Software-Updates aufgezeigt und so belegt, dass in etwa bis zu 400 Millionen Euro hätten eingespart werden können. Wer sich privat für das Thema interessiert, kann mittlerweile auf eine Vielzahl an Büchern, Dokumentationen oder auch Podcasts zurückgreifen. Der eHealthPodcast z. B. thematisiert Aspekte rund um die Gesundheits- und Medizininformatik.


Es ist also kaum zu übersehen, dass aktuell viel angepackt wird, sich theoretisch und praktisch viel wandelt und neu gedacht wird. Für uns als Generation Z besteht sehr viel Potenzial, die digitale Gesundheitswelt mitzuentwickeln, wenn wir weiter mitdiskutieren, -forschen und -arbeiten. Als kritische Gesundheitswissenschaftlerin sehe ich aber auch, dass wir noch mitten auf dem Weg sind, unsere Utopie in die Realität zu transformieren. Denn diese besondere Komplexität der Transformation erfordert eine allgemeine Versorgungsstrategie, präzisere Transparenz, Kommunikationsgeschick aller Akteure und eine konsequentere Ausrichtung auf den Menschen. Um alle Ziele gesund erreichen zu können. Um Public Health auf allen Ebenen auch zukünftig gewährleisten zu können. Um die Vision eines digitalen Gesundheitsökosystems zu erreichen. Um aus dem anfänglichen Sturm der Digitalisierung keinen Wirbelsturm entstehen zu lassen. Um in eine gesunde Zukunft aufbrechen zu können.

 

Wichtige Wörter aus dem Text erklärt:


Elektronische Patientenakte (ePA)

Eine digitale Sammlung von Gesundheitsdaten (Medikamente, Diagnose ...), die es medizinischen Fachkräften ermöglicht, auf relevante Informationen von Patient:innen zuzugreifen, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.


Digitale Gesundheitsanwendungen

Software- oder App-basierte Instrumente, die zur Prävention, Diagnose, Monitoring oder Therapie von Gesundheitszuständen genutzt werden. Ihr Ziel ist es, die Gesundheitsversorgung zu unterstützen, indem sie personalisierte, digitale Lösungen für die Gesundheitsüberwachung, Informationsvermittlung oder therapeutische Unterstützung bereitstellen.


Elektronische Gesundheitskarte

Eine personalisierte Chipkarte, die Versicherten im deutschen Gesundheitssystem zugewiesen wird. Sie dient als digitales Identifikations- und Abrechnungsmittel und ermöglicht den sicheren Zugriff auf medizinische Daten.


E-Health

Bezieht sich auf die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen, um die Bereitstellung von medizinischer Versorgung zu verbessern.


Interoperabilität

Hier: Fähigkeit verschiedener digitaler Systeme und Anwendungen miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Eine hohe Interoperabilität ermöglicht einen reibungslosen Informationsfluss zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen und Systemen, was die koordinierte und effiziente Versorgung von Patient:innen unterstützt.


Strukturmangel

Hier: bezieht sich auf Defizite oder Unterentwicklungen in der organisatorischen und institutionellen Struktur, die die Effizienz, Qualität oder Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung beeinträchtigen.


Public Health

Multidisziplinärer Ansatz zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit, der sich auf Prävention, Gesundheitsförderung und das Management von Gesundheitsrisiken konzentriert.

 

Quellen:

(1) Bundesministerium für Gesundheit, 2023: Digitalisierung im Gesundheitswesen, online, bundesgesundheitsministerium.de [02.02.2024].

(2) Schmidt, T., 2023: Digitales Gesundheitswesen Magazin, online, magazin.digitales-gesundheitswesen.de [02.02.2024].

(3) Digitales Gesundheitswesen Magazin, 2022: Gematik, online, magazin.digitalesgesundheitswesen.de [02.02.2024].

(4) Bundesministerium für Gesundheit, 2023: Gemeinsam Digital, online, bundesgesundheitsministerium.de [02.02.2024].

(5) Amt Süderbrarup, 2021: Smart City Strategie, online, smartcityamtsuederbrarup.de [02.02.2024].

(6) Messe Berlin, 2024: DMEA Connecting Digital Health, online, dmea.de [02.02.2024].

(7) erdgeist, 2022: Chaos Computer Club spart dem Gesundheitssystem 400 Millionen Euro, online, ccc.de [02.02.2024].


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